Nur die Kinder zählen
Bei der Veräußerung von privat genutzten Grundstücken und Gebäuden gibt es unter bestimmten Voraussetzungen steuerliche Erleichterungen. So ist eine Veräußerung außerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist nicht steuerbar. Aber auch innerhalb dieser Frist kann die Veräußerung steuerfrei erfolgen, sofern das Grundstück entweder ausschließlich oder zumindest in dem Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen zwei Kalenderjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Der Bundesfinanzhof musste sich jetzt in gleich zwei Urteilen vom 14. November 2023 (IX R 13/23 und IX R 10/22) mit der Frage beschäftigen, welche Nutzungsüberlassungen noch zu eigenen Wohnzwecken erfolgen.
Im ersten Fall zog der Ehemann nach der Trennung aus dem weiterhin von seiner ehemaligen Frau und den zwei Kindern bewohnten Einfamilienhaus aus. Im Rahmen der Scheidungsvereinbarung übertrug die Frau ihren Eigentumsanteil am Haus auf den Mann, durfte dieses jedoch bis zum Abschluss der Ausbildung der Kinder unentgeltlich nutzen. Der Mann veräußerte das Haus zu einem späteren Zeitpunkt, als beide Kinder die Schule abgeschlossen hatten. Zwischen Anschaffung und Veräußerung lagen weniger als 10 Jahre. Das Finanzamt berücksichtigte in der Einkommensteuererklärung sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Eine Steuerbefreiung wegen Eigennutzung verneinte das Finanzamt.
Im zweiten Urteilsfall erwarben Eheleute jeweils zur Hälfte eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Diese überließen sie nach der Fertigstellung unentgeltlich an die Mutter der Ehefrau. Nach dem Tod der Mutter verkauften die Eheleute die Eigentumswohnung. Auch hier setzte das Finanzamt sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften an.
Eigene Wohnzwecke nur bei gesetzlicher Unterhaltspflicht
Die Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden innerhalb der Spekulationsfrist ist nur dann steuerfrei, wenn diese im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Der Ausdruck „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt in beiden Alternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen. Unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt.
Ein Gebäude wird auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn der Steuerpflichtige es einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zu Wohnzwecken überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Hintergrund ist die Annahme, dass der Gesetzgeber bei den einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen unterstellt.
Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt hingegen vor, wenn die Überlassung nicht ausschließlich an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind, sondern zugleich an einen Dritten (zum Beispiel die Kindesmutter beziehungsweise den Kindesvater) erfolgt.
Vor diesem Hintergrund gelangte der BFH in beiden Fällen zu dem Urteil, dass steuerpflichtige sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vorlagen. Die Steuerpflichtigen nutzen die Immobilien jeweils nicht für eigene Wohnzwecke. Im ersten Fall ist der Ehemann infolge der Trennung von der Kindesmutter aus dem Haus ausgezogen. Ihm kann auch keine mittelbare Nutzung zu Wohnzwecken aufgrund der Überlassung der Immobilie an seine Kinder als eigene zugerechnet werden. Denn neben den Kindern bewohnte zugleich die Kindesmutter die Immobilie. Die Nutzung durch die Kindesmutter kann dem Kläger nicht als Eigennutzung zugerechnet werden. Es fehlt an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Die Regelung in der Scheidungsvereinbarung, dass die mietfreie Nutzung der Wohnung eine Unterhaltsleistung darstelle, stellt keine relevante rechtliche Grundlage dar. Denn eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des Einkommensteuerrechts liegt nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen wie Kinder typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Steuerpflichtigen gehören. Dies ist bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, nicht der Fall.
Auch im zweiten Fall sah der BFH keine mittelbare Nutzung zu Wohnzwecken durch die Überlassung der Eigentumswohnung an die Mutter der Steuerpflichtigen. Anders als bei einem steuerlich zu berücksichtigenden Kind, für das bei typisierender Betrachtung eine Unterhaltspflicht besteht und Unterhaltsaufwendungen erbracht werden, kann in den übrigen Fällen eine Unterhaltspflicht sowie das Anfallen entsprechender Aufwendungen nicht ohne weitere Überprüfung im Einzelfall angenommen werden. Im Übrigen war der Steuerpflichtige seiner Schwiegermutter gegenüber mangels Verwandtschaftsverhältnisses im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht zum Unterhalt verpflichtet. Eine Unterhaltspflicht der Steuerpflichtigen gegenüber ihrer Mutter wurde durch das Finanzgericht nicht festgestellt.
Fazit
Der BFH zieht die Grenzen bei der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sehr eng. Selbst bei der ausschließlichen Überlassung an ein Kind ist Vorsicht geboten, denn unschädlich ist nur die Überlassung an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind. Entfällt der Anspruch auf Kindergeld und Kinderfreibeträge, z. B. weil das Kind seine Ausbildung beendet oder das 25. Lebensjahr vollendet hat, liegt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken mehr vor. Eigentümer sollten all dies bei Veräußerungsabsichten berücksichtigen und im Zweifelsfall – sofern möglich – erst nach Ablauf der Spekulationsfrist die Immobilie veräußern.