Teilauszahlung von Versorgungsbezügen voll steuerpflichtig
Für den Ruhestand hat jeder andere Pläne. Vielleicht erst eine große Reise machen oder das lang ersehnte Wohnmobil anschaffen. Warum also nicht einen Teil der Rente oder Versorgungsbezüge auf einen Schlag auszahlen lassen? Und das auch noch steuerlich vergünstigt? Doch ganz so einfach ist es nicht, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 22. November 2023 entschied (VI R 5/21, NV).
Geklagt hatte ein Steuerpflichtiger, der zuletzt als Vorsteher eines Verbands, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, tätig war. In seinem Dienstvertrag war im Versorgungsfall ein Ruhegehalt vorgesehen, für das ein Wahlrecht bestand. Danach konnte der Steuerpflichtige eine vereinbarte monatliche Auszahlung in Anspruch nehmen oder eine betragsmäßig gekürzte monatliche Auszahlung zuzüglich einer Einmalzahlung. Der Steuerpflichtige wählte bei Eintritt in den Ruhestand die zweite Alternative. Dementsprechend erhielt er im Streitjahr eine Kapitalleistung ausgezahlt und bezog daneben monatlich (entsprechend gekürzte) Versorgungsbezüge.
Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr unterwarf das Finanzamt die Kapitalleistung – entgegen des Antrags des Steuerpflichtigen – nicht der ermäßigten Besteuerung. Das Finanzgericht und der BFH schlossen sich der Meinung des Finanzamtes an.
Der BFH bestätigte die Ansicht des Finanzgerichts, dass es sich bei der ausgezahlten Kapitalleistung um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit handelt. Diese kann auch unter bestimmten Bedingungen mit der sogenannten Fünftelregelung besteuert werden. Diese Tarifbegünstigung setzt jedoch voraus, dass es sich um außerordentliche Einkünfte handelt. Außerordentliche Einkünfte liegen jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung der Einkünfte erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn einheitliche Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt werden.
Im vorliegenden Fall sah der BFH die oben genannten Voraussetzungen nicht als erfüllt an. Zwar ist dem Steuerpflichtigen mit der Kapitalleistung im Streitjahr ein Einmalbetrag für eine mehrjährige Tätigkeit zugeflossen. Trotzdem liegt keine zusammengeballte Vergütung vor, denn die Einmalzahlung ist nicht gesondert zu beurteilen. Vielmehr sind für die Beurteilung der Zusammenballung der Einkünfte neben der Einmalzahlung auch die laufenden Versorgungsleistungen zu berücksichtigen, da die als Einmalzahlung erbrachte Kapitalleistung und die monatlich laufend zu zahlenden Versorgungsleistungen auf einer vertraglichen Grundlage beruhen.
Dem Steuerpflichtigen wurde ein Ruhegehalt zugesagt, welches je nach Ausübung des Wahlrechts lediglich unterschiedlichen Auszahlungsmodalitäten unterlag. Die Kapitalleistung trat danach gleichberechtigt neben die laufenden (entsprechend gekürzten) Versorgungsleistungen. Sie ist folglich keine abgrenzbare Sondervergütung, durch die ein eigenständiger Versorgungsanspruch abgegolten werden sollte. Die als Einmalzahlung erbrachte Kapitalleistung und die laufenden Versorgungsleistungen stellen eine einheitliche Vergütung dar, die dem Steuerpflichtigen wegen des laufenden, lebenslang zugesagten Ruhegehaltsanteils (insgesamt) in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen und damit nicht zusammengeballt zugeflossen ist.
Fazit: Ein einheitlicher Versorgungsanspruch, der teilweise als monatliche Versorgungsleistung und teilweise als Kapitalleistung ausgezahlt wird, unterliegt mangels Zusammenballung nicht der ermäßigten Besteuerung.